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Problemlösendes Lernen mit Virtual Reality im Kunstunterricht

  • Kunst, XR

Problemlösendes Lernen mit Virtual Reality (VR) im Bildungsbereich trägt wesentlich zur Förderung von Kreativität und essentiellen Kompetenzen wie Kollaboration, kritisches Denken und Kommunikation bei. Lehrmethoden, die sich hauptsächlich auf das Vermitteln vorgefertigter Lösungen fokussieren, begrenzen die kreative Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. VR bietet eine innovative und interaktive Lernumgebung, die es ermöglicht, reale Herausforderungen anzugehen, kreativ zu denken und praktische Fähigkeiten zu entwickeln, die für die Zukunft in einer sich ständig verändernden Welt unerlässlich sind.

Ich weiß nicht, ob ich damals die einzige im Klassenzimmer war, aber das, was mir vorne an der Tafel als ‘Problem’ präsentiert wurde, war für mich keins. Es gab dafür ja schon eine Lösung, die mir ziemlich schnell präsentiert wurde. Im besten Fall wollte ich bei der Lehrkraft einen guten Eindruck hinterlassen oder eine gute Note schreiben, aber das ‘Problem’ war mir im Grunde absolut egal.

Herzlich Willkommen — Eingangsbereich der “Kunstwelten VR”

Relevanz echter Probleme

Diese Probleme halten sich hartnäckig, erst kürzlich wurde ich in einem Mathe-Tutorial von Daniel Jung wieder auf ein solches hingewiesen. Diesmal wollte ich es wissen und habe folgende Definition gefunden:

Folgende Merkmale charakterisieren ein Problem: 1. es liegt ein Ziel vor, dessen angestrebte Erreichung in Frage steht; 2. das dem Ziel im Weg stehende Hindernis lässt sich nicht mittels Routineaktivitäten beseitigen, sondern erfordert Nachdenken. (vgl. Betsch, Funke 2011)

Aha! Lässt sich nicht mit Routineaktivitäten beseitigen.

Was ist dann Problemlösung?

Problemlösen ist ein zielorientiertes Denken und Handeln in Situationen, für deren Bewältigung keine routinierten Vorgehensweisen verfügbar sind. Die Problemlösenden haben ein mehr oder weniger gut definiertes Ziel, wissen aber nicht unmittelbar, wie es zu erreichen ist. (vgl. Mayer/Wittrock 1996)

Ich hatte also recht. Erfahrungen mit Problemen habe ich schließlich zu Genüge gesammelt, und die meisten waren sehr, sehr komplex. Die Lösung der präsentierten ‘Probleme’ in der schulischen Mathematik, Chemie oder Latein hingegen war ein erweitertes ‘Malen nach Zahlen’. Es funktioniert so:

Lösungsstrategie lernen, anwenden, fertig.

Ich weiß, das ist eine stark vereinfachte Sicht, und manche Lösungsstrategien sind richtig anspruchsvoll. Aber ein ‘Problem’ stellten sie trotzdem nicht dar.

Dabei haben echte Probleme so viel Potenzial, den Lernerfolg und die Motivation zu steigern. Denn genau in dem Zwischenbereich zwischen relevantem Problem und der noch unbekannten Lösung beginnt der kreative Prozess des Lernens. Deswegen werden Aufgaben auch als solche getarnt. Lobenswerter Versuch ladies, aber leider muss ich euch enttäuschen: Kids sind schlau. Es ist kein Problem und damit echt uninteressant.

Photo by Etienne Girardet on Unsplash

Im Prinzip ist das auch alles hinfällig, weil wir kompetenzorientiert unterrichten sollen. Und wir können mit großem Erfolg problemlösendes Lernen mit Virtual Reality realisieren.

Kreativität, Kollaboration, kritisches Denken, Kommunikation

Das sind die vier Kompetenzen für das 21. Jahrhundert, die den Schülerinnen und Schülern helfen, eigenständig zu lernen und sich auf Veränderungen in der Arbeitswelt einzustellen.

Das 4K- oder 4C-Modell entstand aus der amerikanischen P21-Initiative, einer Zusammenarbeit von Experten aus Wirtschaft, Bildung und Politik, die sich Gedanken über Bildung im digitalen Zeitalter machen. Aus diesem Grund wird immer noch rege darüber diskutiert, welchen Einfluss wirtschaftliche Interessen auf die schulische Bildung haben dürfen. Aber aus meiner Sicht betreffen gerade diese vier Kompetenzen alle Menschen, die in der heutigen Welt leben, lernen und arbeiten, egal ob sie Dachdeckerinnen, Philosophinnen oder Künstlerinnen werden oder geworden sind. Wir haben in der Schule den Auftrag, die Kinder auf die Gesellschaft von morgen vorzubereiten, und die 4Ks spielen darin eine immer größere Rolle.

4K Modell © 2024 by Alicja Gulcz is licensed under CC BY-NC-SA 4.0

Wenn also Kreativität wichtig ist und sie dann beginnt, wenn man sich nicht mehr sicher ist, wie man ein Problem löst, dann scheint ‘Problemlösendes Unterrichten’ (Problem-solving teaching) ein probates Mittel zu sein, um Kreativität zu fördern. Ich habe problemlösendes Lernen mit Virtual Reality für mich als Lehrkraft entdeckt und mit meinen Schülerinnen und Schülern umgesetzt. Aber was ist das eigentlich?

Über problemlösendes Lernen und Projekte

Problemlösendes Unterrichten ist eine Unterrichtsmethode mit dem Ziel, die Fähigkeit zu erlernen, ein Problem zu lösen, das man noch nicht kennt. Alternativ kann es auch darum gehen, spezifische, auf ein bestimmtes Fachgebiet bezogene Strategien zu vermitteln, um solche Probleme zu lösen. (https://www.visiblelearningmetax.com/influences/view/problem-solving_teaching)

In der großen Hattie-Studie zeigt das ‘problem-solving-teaching’ eine Effektstärke von d = 0,68 und damit das Potenzial für eine erhebliche Leistungssteigerung der Schülerleistung.

Gut geeignet sind dafür Projekte, da sie über den traditionellen Unterricht hinausgehen und die Schülerinnen und Schüler mit realen Herausforderungen und Problemstellungen konfrontieren können.

Merkmale echter Projekte

Echte Projekte zeichnen sich durch Merkmale wie eigenverantwortliches Handeln, direkten Bezug zur realen Welt und Interdisziplinarität aus. Sie erfordern und fördern eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema und bieten Raum für persönliche Entwicklung. Wegen ihrer Komplexität und der damit verbundenen größeren Kraftanstrengung sorgen sie für eine deutlich höhere Motivation der Teilnehmenden, das Projekt erfolgreich abzuschließen.

Eigenverantwortliches Handeln: Die Schülerinnen und Schüler übernehmen Verantwortung für ihre Arbeit, treffen Entscheidungen und erleben die Konsequenzen ihres Handelns.

Bezug zur realen Welt: Projekte sind an reale Situationen oder Probleme angelehnt und bieten praxisnahe Erfahrungen.

Interdisziplinarität: Die Verbindung verschiedener Fachbereiche eröffnet neue Perspektiven und Lernwege.

Simulierte Projekte

Viele schulische Projekte, insbesondere außerhalb der künstlerischen Fächer, beschränken sich auf ein simuliertes Umfeld, in dem die Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler begrenzt und das Risiko des Scheiterns minimiert ist. Die Anleitungen durch Lehrkräfte sind oft sehr direktiv und lassen wenig Raum für selbstständige Entscheidungen. Die Präsentation überschreitet meistens nicht die Grenzen des Klassenzimmers, so gut wie nie die Grenzen des Schulgebäudes. Solche Projekte bieten zwar Lernerfahrungen, erreichen aber oft nicht die Tiefe und Relevanz echter Projekte. Ein Scheitern ist so gut wie unmöglich, und das ist oftmals auch gut so. Solche Unterrichtsvorhaben erlauben das genaue, aber auch spielerische Einüben und gezieltere Überprüfen fachspezifischer Fähigkeiten. Zudem bieten sie leicht überprüfbare Kriterien und Transparenz in der Bewertung und erfordern daher weniger Aufwand bei der Leistungsüberprüfung

Will man aber die Kreativität fördern und den Kindern ermöglichen, Erfahrungen im Problemlösen zu sammeln, muss man das Risiko des Scheiterns in Kauf nehmen. Denn Kreativität beginnt erst, wenn man nicht weiter weiß. Wenn man eine Vision hat, aber den Weg dorthin noch nicht kennt. Dann erst öffnet sich der Zwischenraum, in dem die Magie des Lernens stattfindet.

Einblick in das ‘Kunstwelten VR’-Projekt

Das Projekt “Kunstwelten VR” ist ein innovatives Bildungsprojekt, das von mir als Kunstlehrerin an einer Gesamtschule in Köln durchgeführt wurde. Es handelt sich um problemlösendes Lernen mit Virtual Reality an dem Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1 aktiv beteiligt waren. Das Projekt zielte darauf ab, den Schülerinnen und Schülern die künstlerischen und technologischen Möglichkeiten von Virtual Reality (VR) näher zu bringen und sie in die Erstellung eigener Kunstwerke einzubinden.

Backstage Dokumentation in “Kunstwelten VR”

Im Rahmen des Projekts konnten die Schülerinnen und Schüler:

  • 3D-Modelle, Acrylgemälde, Zeichnungen, KI-generierte Bilder und Fotografien erstellen: Diese Kunstwerke waren auf das Thema Nachhaltigkeit fokussiert und spiegelten die individuellen kreativen Ansätze der Schülerinnen und Schüler wider.
  • Technische Fähigkeiten entwickeln: Die Schülerinnen und Schüler erlernten den Umgang mit VR-Technologie, einschließlich der Bewegung im virtuellen Raum und der Präsentation ihrer Werke in diesem Umfeld.
  • Eine Ausstellung in VR gestalten und durchführen: Die Ausstellung wurde in einer virtuellen Umgebung präsentiert, wobei die Schülerinnen und Schüler in die Rollen von Künstlern, Kuratoren und Technikern schlüpften. Sie waren für die gesamte Konzeption, Gestaltung und Durchführung der Ausstellung verantwortlich.

Einen guten Eindruck vermittelt unser Event-Video von der Vernissage.

Kunstwelten VR war ein Paradebeispiel für Problemlösendes Lernen mit Virtual Reality und ein echtes Projekt. Die Schülerinnen und Schüler trafen auf reale Probleme und mussten kreative Lösungen finden, um das Projekt realisieren zu können. Ihre Arbeit hatte direkte Auswirkungen auf das Gelingen und wurde außerhalb des Schulgebäudes präsentiert, was die Relevanz und den Wert ihrer Anstrengungen noch erhöhte.

Problemlösendes Lernen mit Virtual Reality

Natürlich soll Schule gleichzeitig ein sicherer Ort bleiben, an dem man ungehindert und ohne existenzielle Ängste Fehler machen kann. An dieser Stelle bietet VR einen sicheren Raum für Experimente. Nicht im naturwissenschaftlichen Sinn, sondern experimentell im Sinn eines Lernens mit offenem Ausgang. VR bietet dabei gleich 3 Vorteile.

Vorteil 1: Ressourcen.

Der erste wesentliche Vorteil von Virtual Reality (VR) im Kontext des ‘Kunstwelten VR’-Projekts liegt in der Freisetzung von Ressourcen, die in einer traditionellen Schulumgebung oft begrenzt sind. Durch VR eröffnen sich neue Möglichkeiten, Kunstwerke zu erstellen und auszustellen, die in der physischen Welt aus Kostengründen oder aufgrund begrenzter Räumlichkeiten nicht möglich wären.

In einer VR-Umgebung können Schülerinnen und Schüler Kunstwerke in Formaten und Größen erstellen, die in einem herkömmlichen Klassenraum nicht realisierbar wären. Ob großformatige 3D-Installationen oder komplexe, interaktive Kunstobjekte — VR bietet eine Plattform, auf der die Kreativität keine physischen Grenzen kennt. Räumliche Einschränkungen werden eliminiert, indem virtuelle Ausstellungsräume geschaffen werden, die sowohl in ihrer Größe als auch in ihrer Gestaltung flexibel sind. Dadurch können die Schülerinnen und Schüler ihre Werke in einer Umgebung präsentieren, die ihre künstlerische Vision vollständig widerspiegelt, ohne durch Budgetbeschränkungen eingeschränkt zu sein.

Großformatige Bilder in “Kunstwelten VR”

Vorteil 2: Das Agieren als Avatar.

In unserer VR-Ausstellung “Kunstwelten VR” erlebten die Schülerinnen und Schüler, wie die Nutzung von Avataren die Kommunikation und Präsentation vor anderen erleichterte. Viele berichteten, dass sie sich sicherer fühlten, ihre Gedanken und Ideen zu äußern, da die Aufmerksamkeit mehr auf den Inhalten ihrer Präsentationen lag und weniger auf ihrem physischen Erscheinungsbild oder Verhalten. Dies führte zu einer offeneren und inklusiveren Diskussionskultur.

Die Avatare ermöglichten es den Schülerinnen und Schülern, sich frei von den üblichen sozialen Hemmungen zu bewegen und zu interagieren. Sie konnten sich auf das Wesentliche konzentrieren — ihre Kunstwerke und die damit verbundenen Botschaften. Besonders für diejenigen, die im realen Leben vielleicht schüchtern oder ängstlich sind, bot die Avatar-Interaktion eine Plattform, auf der sie selbstbewusster auftreten konnten.

Diese Erfahrung zeigt, wie VR und die Verwendung von Avataren die Art und Weise verändern können, wie Schülerinnen und Schüler lernen und interagieren. Es schafft einen Raum, in dem sie sich frei ausdrücken und entwickeln können, ohne durch soziale Ängste oder Vorurteile eingeschränkt zu sein.

Schülerinnen geben eine Führung in “Kunstwelten VR”

Vorteil 3: Sichere Umgebung

In unserer “Kunstwelten VR”-Ausstellung ermöglichte die VR-Technologie eine globale Zugänglichkeit. Menschen aus aller Welt konnten die von Schülerinnen und Schülern geschaffenen Kunstwerke erleben, ohne physisch anwesend sein zu müssen. Dies öffnete ein Fenster zu einem internationalen Publikum und erhöhte die Reichweite und Wirkung der Schülerarbeiten erheblich.

Gleichzeitig bot der VR-Raum einen geschützten Bereich, in dem nur angemeldete Personen Zugang hatten. Dies ist besonders in einem schulischen Kontext wichtig, da es die Sicherheit und das Wohlbefinden der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler gewährleistet. Es schafft eine kontrollierte Umgebung, in der die Interaktionen überwacht und bei Bedarf Störenfriede ausgeschlossen werden können. Diese Aspekte der Sicherheit und Kontrolle sind entscheidend, um ein positives und förderliches Lernerlebnis zu gewährleisten.

Die Kombination aus globaler Reichweite und kontrolliertem Zugang in einer VR-Ausstellung macht sie zu einem idealen Ort für Bildungsprojekte, in denen Schülerinnen und Schüler ihre Arbeiten einem breiten Publikum präsentieren können, während sie sich gleichzeitig in einer sicheren und unterstützenden Umgebung befinden.

Meet the team — “Kunstwelten VR”

Über das Scheitern

  • Ja, wir hätten die 3D-Modelle nicht ausstellen können, wenn wir sie nicht in die nötigen 8 MB bekommen hätten. Aber wisst ihr was? Wir haben es hinbekommen und sind jetzt dreifach so stolz darauf.
  • Ja, wir hätten die Videos nicht zeigen können, wenn wir die Interviews nicht vorbereitet hätten. Aber wisst ihr was? Wir haben sie nicht so gut hinbekommen, wie gewünscht, und wissen jetzt, wie wir sie verändern möchten.
  • Und ja, wir sind gescheitert, weil wir an manchen Stellen öffentlich sagen mussten: ‘Öhm, keine Ahnung.’ Und wisst ihr was? Das ist cool, weil wir gelernt haben, wie man herausfindet, wo der Fehler lag, die Sache als Erfahrung verbucht und beim nächsten Mal seine Hausaufgaben macht.
  • Und neben den ganzen inhaltlichen Herausforderungen, Soft Skills und Hardware haben wir gelernt, dass wir es geschafft haben.
Gallerie in @RAUM

Die Vernissage des Projekts war ein großer Erfolg, mit zahlreichen Besuchern, die die Vielfalt und Qualität der Exponate bewunderten. Problemlösendes Lernen mit Virtual Reality ermöglicht es den Lernenden, Verantwortung zu übernehmen und Lösungen zu entwickeln, die über theoretisches Wissen hinausgehen. Sie lernen, kritisch zu denken und im Team zu arbeiten — Fähigkeiten, die in der modernen Arbeitswelt unerlässlich sind. Die Bedeutung dieser Projekte spiegelt sich also nicht nur in der unmittelbaren Bildungserfahrung, sondern auch in der langfristigen persönlichen und beruflichen Entwicklung der Schülerinnen und Schüler wider.

3D Artists in “Kunstwelten VR”

Wenn ich jetzt vor meinen Klassen stehe, sehe ich, dass ich wahrscheinlich nicht die Einzige im Klassenzimmer war. Auf einem Gymnasium hinterfragt man Dinge wohl einfach nicht laut — sondern eher hinter vorgehaltener Hand. In der Sek1 einer Gesamtschule sieht es da schon anders aus. Wenn man von Problemen spricht, wo keine sind, wird das lautstark kommentiert — oder gleich geschlafen. Irgendwie zurecht.

Wir brauchen einfach mehr Problemlösung statt Problembasierung. VR und vor allem RAUM bieten dafür eine geeignete und sichere Plattform.

Alicja Gulcz

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